Aktuelle Pressemitteilungen

Erfolgreiche Teilnahme am Jahreskongress der DGAI in Kassel

Vom 11. bis 13. September fand der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) erstmals im neuen Format statt. Über 2200 Fachleute aus Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin sowie Palliativmedizin kamen im Kongress Palais in Kassel zusammen, um sich über aktuelle Entwicklungen und Forschungsergebnisse drei Tage lang auszutauschen.

Prof. Wurmb (rechts) erhält die „Rudolf-Frey Medaille“.
Prof. Stoppe (zweiter von links) erhält den „Karl-Thomas-Preis 2024“.

Auch die Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Würzburg war mit mehr als zehn Personen stark vertreten. Diese konnten nicht nur mit zahlreichen Vorträgen überzeugen, sondern auch drei renommierte Preise nach Würzburg holen.

Prof. Dr. med. Thomas Wurmb wurde die „Rudolf-Frey Medaille“ für besondere Verdienste auf dem Gebiet der Notfallmedizin und des Rettungswesens verliehen. Diese Ehrung ist seit 1990 die höchste Auszeichnung der DGAI für Persönlichkeiten auf diesem Gebiet.  Überreicht wurde die Medaille vom Präsident der DGAI, Prof. Dr. med. Benedikt Pannen, im Rahmen des feierlichen Präsidentenabends zur Kongresseröffnung.

Prof. Dr. med. Christian Stoppe erhielt den „Karl-Thomas-Preis 2024“ für seine herausragende Studie: „Effect of High-Dose Selenium on Postoperative Organ Dysfunction and Mortality in Cardiac Surgery Patients: The SUSTAIN CSX Randomized Clinical Trial“. Seine länderübergreifende Arbeit untersuchte die Auswirkungen einer hochdosierten Selen-Gabe auf Organdysfunktionen nach einer Operation sowie auf die Mortalität bei Herzchirurgie-Patientinnen und Patienten. Die Ergebnisse wurden im Journal JAMA Surgery veröffentlicht und liefern neue, auf Evidenz basierende Informationen, welche die zukünftigen Leitlinien beeinflussen und die Behandlung von Herzchirurgie-Patienten weltweit verbessern werden.

Den mit 1000 Euro dotierten ersten Preis im Vortragswettbewerb Grundlagenforschung gewann Christina Cursiefen, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. med. Nana Maria Wagner. Ihre Promotionsarbeit. „Effekt einer Dipeptidylpeptidase 4 (DPP4)-Inhibition während der systemischen Inflammation“ überzeugte die Jury mit ihren fundierten Forschungsergebnissen.

Prof. Wurmb (rechts) erhält die „Rudolf-Frey Medaille“.
Prof. Stoppe (zweiter von links) erhält den „Karl-Thomas-Preis 2024“.

„Klinische Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“

Uniklinikum Würzburg ist Partner im neuen wissenschaftlichen Netzwerk

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das wissenschaftliche Netzwerk „Klinische Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ unter Beteiligung von 17 Universitätsklinika für Kinder- und Jugendpsychiatrie und ausgewiesenen Experten und Expertinnen im deutschsprachigen Raum.

 

Köln / Würzburg. Bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen sind bestimmte Gehirnbereiche nicht ausreichend aktiv oder arbeiten nicht gut zusammen. Mit Neurostimulationen lässt sich die Gehirnaktivität jedoch gezielt beeinflussen. So können elektrische Impulse oder Magnetfelder bestimmte Gehirnregionen stimulieren und Fehlfunktionen im Gehirn, die bei Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Zwangserkrankungen auftreten, korrigieren. Während die Wirksamkeit von Neurostimulationen bei Erwachsenen gut belegt sind, gibt es bei Kindern und Jugendlichen noch keine Standards. Das will das neue wissenschaftliche Netzwerk „Klinische Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ ändern. Ziel des Netzwerks, an dem 17 Universitätsklinika beteiligt sind, ist die Etablierung einheitlicher Standards in Vorbereitung multizentrischer, konfirmatorischer Studien zur therapeutischen Wirksamkeit von Methoden der Neurostimulation bei Kindern- und Jugendlichen mit psychiatrischen Erkrankungen. Die DFG fördert das Netzwerk über eine Laufzeit von drei Jahren (Projektnummer: 545308387).

„Die nicht-invasiven Methoden der Neurostimulation bieten eine vielversprechende Möglichkeit, Behandlungen zu entwickeln, die basierend auf den neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen gezielt auf die zugrundeliegenden Ursachen der psychischen Erkrankungen eingehen. Für die dafür notwendige Forschung kann unser Netzwerk die notwendigen Rahmenbedingungen definieren. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit“, sagt Prof. Dr. Lorenz Deserno von der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Uniklinikums Würzburg (UKW).

Bestehende Vorurteile abbauen und die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Erkrankungen verbessern

Sprecher des Netzwerks ist Prof. Dr. Julian Koenig von der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln. „Die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ermöglicht uns die Entwicklung einheitlicher Standards im deutschsprachigen Raum, die insbesondere vor dem Hintergrund der bisher sehr heterogenen Evidenz, eine notwendige Voraussetzung für zukünftige Studien darstellt. Wir hoffen durch umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit die Bekanntheit der Verfahren zu steigern, bestehende Vorurteile abzubauen und letztlich zu einer Verbesserung der Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Erkrankungen beizutragen – insbesondere den Patientinnen und Patienten, die nicht oder nicht hinreichend auf bestehende therapeutische Angebote ansprechen“, erklärt Koenig. 

Therapeutische Effektivität bei Erwachsenen sehr gut belegt, bei Kindern und Jugendlichen fehlen Behandlungsstandards

Methodisch beraten wird das Netzwerk durch Prof. Dr. Til Ole Bergmann, Universitätsprofessor für Neurostimulation an der Universitätsmedizin Mainz und Prof. Dr. Andreas J. Fallgatter, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen. „Ich freue mich sehr, dass die DFG dieses wichtige Wissenschaftliche Netzwerk fördert. Moderne Ansätze der personalisierten, nicht-invasiven Neurostimulation können die Aktivität von krankheitsrelevanten Hirnnetzwerken zeitlich und anatomisch gezielt modulieren, was bei einer medikamentösen Behandlung nicht der Fall ist. Diese Verfahren sind schmerzfrei, gut verträglich, und ihre therapeutische Effektivität bei Erwachsenen sehr gut belegt, zum Beispiel in der Behandlung von Depressionen. Bei Kindern und Jugendlichen fehlen jedoch noch die benötigten multizentrischen Studien und Behandlungsstandards, welche im Rahmen dieses Netzwerkes koordiniert werden können.“, so Til Ole Bergmann. 
Andreas J. Fallgatter, der eine umfangreiche Expertise zu Verfahren der Neurostimulation bei Erwachsenen mit psychiatrischen Erkrankungen hat und die Infrastruktur „Neuromodulation“ innerhalb des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) koordiniert, um Methoden der Neuromodulation zu erforschen und weiterzuentwickeln, fügt hinzu: „Ich gratuliere Professor Koenig und den beteiligten wissenschaftlichen Einrichtungen zur Förderung dieses wichtigen Netzwerkes. Ich sehe gerade in der Kinder- und Jugendpsychiatrie besonders große Möglichkeiten durch nebenwirkungsarme, neurostimulatorische Behandlungsverfahren das therapeutische Spektrum zu erweitern, in Ergänzung zur Psychotherapie und der durch Zulassungsbeschränkungen und Nebenwirkungen oft nur eingeschränkt möglichen Pharmakotherapie.“

Aus neurobiologischen Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte Transfer in innovative und effektive Therapieverfahren für Kinder und Jugendliche

Im Rahmen des Netzwerks ist eine virtuelle Fortbildungsreihe unter Beteiligung internationaler Expertinnen und Experten zu Themen der klinischen Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) geplant, die das Netzwerk unterstützt. Prof. Dr. Marcel Romanos, Präsident der DGKJP und Klinikdirektor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am UKW kommentiert: „Ich freue mich sehr, dass mit der Förderung des neuen Netzwerks durch die DFG die Bedeutung von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter für die gesamtgesellschaftliche Gesundheit anerkannt wird. Das Netzwerk zur Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein wesentlicher Schritt, um aus den neurobiologischen Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte nun den Transfer in innovative und effektive Therapieverfahren für Kinder und Jugendliche zu leisten.“ 

Kooperationspartner

Im wissenschaftlichen Netzwerk „Klinische Neurostimulation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ arbeiten zusammen: Uniklinik RWTH Aachen; Universität Bern, Schweiz; Charité - Universitätsmedizin Berlin; Ruhr Universität Bochum; LVR-Universitätsklinik Essen; Universitätsklinikum Frankfurt; Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf; Universitätsklinikum Heidelberg; Uniklinik Köln und Medizinische Fakultät der Universität zu Köln; Universitätsklinikum Leipzig; Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Mannheim, Medizinische Fakultät Mannheim; Universität Heidelberg; Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg; Philipps-Universität Marburg und Universitätsklinikum Marburg (UKGM); LMU Klinikum München; Universitätsklinikum Regensburg; Universitätsmedizin Rostock; Universitätsklinikum Tübingen; Medizinische Universität Wien, Österreich; Universitätsklinikum Würzburg.

Mit klarem Sehen zu mehr Lebensqualität

Bioreaktor soll Qualität und Kultivierungszeit von Spenderhornhäuten verbessern

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Validierung eines Bioreaktors für Augenhornhäute mit 1,8 Millionen Euro. Das Projekt BioCor soll die Ergebnisse von Hornhauttransplantationen verbessern und gleichzeitig den Weg für bessere In-vitro-Testmethoden ebnen.

 

Nahaufnahme eines Auges, die Nähte, mit denen die Hornhaut befestigt wurde, sind deutlich zu sehen.
Aufgrund einer Narbe wurde hier die zentrale Hornhaut durch ein Transplantat ersetzt, das mit feinen Nähten fixiert wurde. © Zdenek Jilek / UKW
Collage der Porträts von Daniel Kampik und Malik Haider in weißen Kitteln
PD Dr. Daniel Kampik und Dr. Malik Haider von der Universitäts-Augenklinik in Würzburg sind verantwortlich für die biologischen Tests und Validierungsstudien zur Lagerung der menschlichen Hornhaut im neuen Bioreaktor. © UKW
Das Bild ist eine Detailaufnahme aus dem Fraunhofer Institut und zeigt kultivierte Cornea-Modelle
Kultivierte Cornea-Modelle in neuem Messverfahren für die Bewertung des Augenreizungspotenzials von Substanzen ohne Tierversuche. © Righi, Fraunhofer ISC

Würzburg. In Deutschland werden jährlich rund 9.000 Augenhornhäute transplantiert. Damit ist die transparente, äußere Schicht des Auges, die eine wichtige Rolle für klares Sehen spielt, das am häufigsten transplantierte Gewebe. Der Bedarf an Spenderhornhäuten ist jedoch deutlich höher als das Angebot, so dass viele Menschen aufgrund von Hornhauterkrankungen erblinden. Der Knappheit liegen zum einen der demografische Wandel und die mangelnde Spendenbereitschaft zugrunde, zum anderen aber auch logistische Herausforderungen und die Infrastruktur der Hornhautbanken. „Derzeit werden Spenderhornhäute in Hornhautbanken mit Techniken gelagert, die seit 30 Jahren unverändert geblieben sind, was dazu führt, dass bis zu 40 Prozent der Hornhäute aufgrund suboptimaler Qualität verworfen werden“, sagt Privatdozent Dr. Daniel Kampik, Leiter der Hornhautbank in der Augenklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW). 

Um die Konservierung und Qualität von Spenderhornhäuten zu verbessern, hat das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC einen patentierten Bioreaktor für die Augenhornhaut (lateinisch Cornea) entwickelt, der nun gemeinsam mit dem UKW im Projekt BioCor validiert wird. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Validierungsprojekt mit 1,8 Millionen Euro. 

Im Gegensatz zur herkömmlichen statischen Kultivierung ahmt dieser Bioreaktor mit einer innovativen dynamischen Kultur natürliche Bedingungen nach und bietet eine kontinuierliche Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff. Zusätzlich ermöglicht ein integriertes Sensor- und Mikroskopiesystem eine Online-Überwachung des Zustands der Hornhäute, so dass die Parameter rechtzeitig angepasst werden können, bevor ein Transplantat irreversibel geschädigt ist und verworfen werden muss. 

Verbesserung der Qualität und Verfügbarkeit von Spenderhornhäuten 

Mit dem Bioreaktor soll die Qualität von Spenderhornhäuten erhöht und die Eignung für die Transplantation sichergestellt werden. Mit den verbesserten Kultivierungstechniken ließe sich die Ablehnungsrate von Spenderhornhäuten deutlich senken und die Anzahl der verworfenen Gewebe reduzieren. Da der Bioreaktor eine längere Kultivierungsdauer ermöglicht, ohne Schädigung des Gewebes, erhöht sich zudem die Verfügbarkeit von transplantierbaren Hornhäuten. Das Team um den Projektleiter Dr. Christian Lotz vom Translationszentrum für Regenerative Therapien (TLZ-RT) des Fraunhofer ISC ist zuversichtlich, mit seiner Forschung dazu beitragen zu können, dass mehr Patientinnen und Patienten, die an Hornhautblindheit leiden, ihr Sehvermögen wiedererlangen und somit ihre Lebensqualität erheblich steigern. 

Fortschritte bei Kultivierungsmethoden für Hornhäute reduzieren Tierversuche 

Denn neben der verbesserten Lagerung bietet der Bioreaktor eine weitere wichtige Anwendung: die Kultivierung von gezüchteten Hornhautmodellen für klinische und pharmazeutische Tests. Durch die dynamische Kultivierung im Bioreaktor können die 3D-Hornhautmodelle die Verhältnisse im Körper genauer widerspiegeln. Und Gewebereaktionen auf Medikamente oder potenzielle Toxine können dank Echtzeit-Monitoring sofort beurteilt werden. „Mit diesen Fortschritten bei den Kultivierungsmethoden für Hornhäute können wir die Abhängigkeit von Tierversuchen in der medizinischen Forschung verringern und damit ethischere und effizientere Praktiken fördern“, fasst Dr. Malik Haider, Leiter der Forschungslabore in der Augenklinik, zusammen. 

Dr. Malik Haider ist zusammen mit PD Dr. Daniel Kampik vom UKW verantwortlich für die biologischen Tests und Validierungsstudien zur Lagerung der menschlichen Hornhaut im neuen Bioreaktor. Das TLZ-RT Team um Projektleiter Christian Lotz bearbeitet, neben den technischen Entwicklungen unter der Federführung von Prof. Dr. Jan Hansmann, gemeinsam mit dem UKW die biologischen Tests und Validierungsstudien der im Bioreaktor gezüchteten Hornhauttransplantate.

Die Förderung des Validierungsprojekts läuft bis Juni 2027. Der Markteintritt ist über Lizenzierung und Kooperationen mit bestehenden Unternehmen geplant.  

Text: Kirstin Linkamp 

Über Augenhornhaut, Transplantation und Gewebespende

Die Hornhaut (lateinisch Cornea) ist das erste, was Augenärztinnen und Augenärzte bei der Untersuchung mit der Spaltlampe sehen. Die Form und Klarheit dieser äußeren Schicht des Auges ist Voraussetzung für scharfes Sehen. Ist die Hornhaut geschädigt, drohen erhebliche Sehschwächen bis hin zur Erblindung. Alterungsprozesse oder Stoffwechselerkrankungen können zu Trübungen der Hornhaut führen, nach Verletzungen oder Infektionen können sich Narben bilden, die das Sehvermögen beeinträchtigen. Aber auch krankhafte, kegelförmige Verformungen oder genetische Erkrankungen wie die Fuchs'sche Endotheldystrophie, bei der die Zellen auf der Rückseite der Hornhaut absterben, können eine Hornhauttransplantation erforderlich machen. Aufgrund des demografischen Wandels steigt die Nachfrage stetig, doch das Angebot ist knapp. 

Viele Menschen wissen nicht, dass sie nach ihrem Tod ihre Hornhaut spenden können, auch wenn andere Organe nicht mehr zur Transplantation geeignet sind. Eine Altersgrenze gibt es nicht. Nach der Entnahme werden den Verstorbenen künstliche Linsen oder gegebenenfalls Augenprothesen eingesetzt. Die Gesichtszüge bleiben erhalten. Äußerlich ist die Entnahme nicht erkennbar.

Bei der Hornhauttransplantation, auch Keratoplastik genannt, wird die geschädigte oder erkrankte Hornhaut durch gespendetes Gewebe ersetzt. Die Hornhauttransplantation ist ein medizinischer Routineeingriff mit guten Erfolgsaussichten. Weitere Informationen finden Sie unter www.organspende-info.de.

Nahaufnahme eines Auges, die Nähte, mit denen die Hornhaut befestigt wurde, sind deutlich zu sehen.
Aufgrund einer Narbe wurde hier die zentrale Hornhaut durch ein Transplantat ersetzt, das mit feinen Nähten fixiert wurde. © Zdenek Jilek / UKW
Collage der Porträts von Daniel Kampik und Malik Haider in weißen Kitteln
PD Dr. Daniel Kampik und Dr. Malik Haider von der Universitäts-Augenklinik in Würzburg sind verantwortlich für die biologischen Tests und Validierungsstudien zur Lagerung der menschlichen Hornhaut im neuen Bioreaktor. © UKW
Das Bild ist eine Detailaufnahme aus dem Fraunhofer Institut und zeigt kultivierte Cornea-Modelle
Kultivierte Cornea-Modelle in neuem Messverfahren für die Bewertung des Augenreizungspotenzials von Substanzen ohne Tierversuche. © Righi, Fraunhofer ISC

Neue zielgerichtete Immuntherapie des kleinzelligen Bronchialkarzinoms

Clinical Trial Update der Universitätskliniken Würzburg und Cleveland

In der verlängerten Nachbeobachtung der Phase-1-Studie DeLLphi-300 zeigte der bispezifische T-Zell-Engager Tarlatamab bei vorbehandeltem kleinzelligem Bronchialkarzinom (SCLC) eine bislang unerreichte Überlebenszeit und mögliche Hinweise auf eine intrakranielle Aktivität. Die neue zielgerichtete Immuntherapie wird die Standardtherapie dieser besonders aggressiven Form von Lungenkrebs verändern.

 

Die Grafik zeigt die Wirkungsweise des bispezifischen T-Zell-Engager (BiTE®) Tarlatamab.
Als bispezifischer Antikörper verbindet Tarlatamab die T-Zellen als Abwehrzellen mit der Tumorzelle als Ziel. Tarlatamab richtet sich gegen das tumorassoziierte Antigen (TAA), wie zum Beispiel das Protein Delta-like Ligand 3 (DLL3), das auf SCLC-Zellen überexprimiert wird und bindet gleichzeitig an das CD3-Protein auf der Oberfläche der T-Zellen, das für die Aktivierung und Signalübertragung der T-Zellen notwendig ist. © M.-E. Goebeler & A. Wenzl / UKW
Porträtbild von Horst-Dieter Hummel im weißen Kittel
Dr. Horst-Dieter Hummel, Clinician Scientist in der Early Clinical Trial Unit (ECTU) am Interdisziplinären Studienzentrum (ISZ) des CCC Mainfranken, hat gemeinsam mit Afshin Dowlati die Erstautorenschaft zum DeLLphi-300 Trial Update. © Daniel Peter / UKW

Das kleinzellige Bronchialkarzinom, kurz SCLC (Small Cell Lung Cancer), ist eine besonders aggressive Form von Lungenkrebs. Da die Erkrankung selbst bei Erstdiagnose oft nicht operabel ist, erfolgt die initiale Behandlung meist mit einer Kombination aus Chemotherapie und Immuntherapie in Form eines sogenannten Checkpoint-Inhibitors gegebenenfalls ergänzt durch eine Strahlentherapie. Aufgrund der schnellen Zellteilung kehrt die Krebserkrankung jedoch häufig rasch zurück. Die Prognose insbesondere für die rezidivierte Form des SCLC ist schlecht, die Behandlungsmöglichkeiten sind trotz intensiver Forschung noch begrenzt.

Ein Hoffnungsträger ist der bispezifische T-Zell-Engager (BiTE®) Tarlatamab. Er richtet sich gegen das Protein Delta-like Ligand 3 (DLL3), das auf SCLC-Zellen überexprimiert wird, auf gesundem Gewebe aber kaum vorkommt. Aufgrund seiner bispezifischen Struktur bindet Tarlatamab zusätzlich an T-Zellen und bringt so die Abwehrzellen in die Nähe der Tumorzelle als Ziel. Dadurch werden die T-Zellen aktiviert und zerstören die bösartigen Zellen. Tarlatamab hat bereits in der Phase-I-Studie DeLLphi-300 und der Phase-II-Studie DeLLphi-301 bei vorbehandelten SCLC-Patienten eine anhaltende Anti-Tumor-Wirkung und ein gut kontrollierbares Sicherheitsprofil gezeigt. 

Die verlängerte Nachbeobachtung der Phase-I-Studie, die jetzt als „Clinical Trial Update“ im Journal of Clinical Oncology unter der gemeinsamen Federführung des Comprehensive Cancer Center (CCC) Mainfranken am Uniklinikum Würzburg (UKW) und des Seidman Cancer Center der US-Universitätsklinik Cleveland veröffentlicht wurde, zeigte eine mittleren Überlebenszeit von 17,5 Monaten.

Aufgrund dieser Datenlage wurde Tarlatamab in den USA bereits für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit rezidiviertem SCLC zugelassen.

Tumorhemmende und intrakranielle Wirksamkeit 

In der Studie wurden insgesamt 152 Patientinnen und Patienten mit rezidiviertem SCLC mit klinisch relevanten Dosen von mindestens 10 mg Tarlatamab behandelt. Bei den Personen, die alle zwei Wochen 10 mg erhielten, betrug die mediane Überlebenszeit sogar 20,3 Monate. In dieser Gruppe konnte bei rund 58 Prozent zumindest eine Krankheitskontrolle durch diese alleinige Immuntherapie erreicht werden. „Als weiteren vielversprechenden Aspekt haben wir beobachtet, dass sich in dieser Patientengruppe, die ein hohes Risiko für Hirnmetastasen hat, nur bei 8 Prozent unter der Therapie neue Hirnmetastasen gebildet haben. Bei einigen Patientinnen und Patienten gingen die Hirnmetastasen um mindestens 30 Prozent zurück, obwohl deren Vorbehandlung mit einer Strahlentherapie schon mehr als 50 Tage zurücklag“, berichtet Dr. Horst-Dieter Hummel, Clinician Scientist in der Early Clinical Trial Unit (ECTU) am Interdisziplinären Studienzentrum (ISZ) des CCC Mainfranken und Zentrumsmanager des Nationalen Netzwerks Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM) am UKW. Positiv sei auch, dass keine neuen Sicherheitsprobleme aufgetreten seien und die Therapie gut verträglich sei.

„Bei guter Verträglichkeit können Patienten mit einer chemotherapiefreien Monoimmuntherapie über Jahre eine Remission erreichen, so dass diese Therapieform tatsächlich eine wesentliche Weiterentwicklung in der Behandlung des SCLC darstellt“, resümiert Horst-Dieter Hummel.

Würzburger Pionierarbeit mit bispezifischen Antikörpern

„Vor dem Hintergrund der sehr eingeschränkten Therapiemöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit rezidiviertem SCLC sind diese Ergebnisse von herausragender klinischer Bedeutung“, freut sich Professor Dr. Ralf Bargou. Der Onkologe und Direktor des CCC Mainfranken leistete bereits seit mehr als 25 Jahren Pionierarbeit in der präklinischen und klinischen Entwicklung der Immuntherapie und etablierte gemeinsam mit seinem Team und dem Team um Prof. Peter Kufer aus München (Amgen Research) das Wirkprinzip der T-Zell-Aktivierung gegen Tumorzellen mittel bispezifischer Antikörper. Für seine Forschungen zum Antikörper Blinatumomab, der gegen CD19 und CD3 gerichtet ist, wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als Erfinder des Jahres von der amerikanischen IPO Education Foundation. Gemeinsam mit der Leiterin des Interdisziplinären Studienzentrums, Dr. Maria-Elisabeth Goebeler, und internationalen Teams konnte er das Konzept der bispezifischen Antikörper in klinisch anwendbare Therapien umsetzen (Ralf Bargou et al, Science, 2008, DOI:10.1126/science.1158545). So gelang es Horst-Dieter Hummel und dem Würzburger ECTU-Team beispielsweise auch, die Wirksamkeit dieses Therapieprinzips beim Prostatakarzinom und damit erstmals bei einem soliden Tumor nachzuweisen (Hummel et al, Immunotherapy, 2021, https://doi.org/10.2217/imt-2020-0256). 

Publikation:

Sustained Clinical Benefit and Intracranial Activity of Tarlatamab in Previously Treated Small Cell Lung Cancer: DeLLphi-300 Trial Update
Afshin Dowlati*, Horst-Dieter Hummel*, Stephane Champiat, Maria Eugenia Olmedo, Michael Boyer, Kai He, Neeltje Steeghs, Hiroki Izumi, Melissa L. Johnson, Tatsuya Yoshida, Hasna Bouchaab, Hossein Borghaei, Enriqueta Felip, Philipp J. Jost, Shirish Gadgeel, Xi Chen, Youfei Yu, Pablo Martinez, Amanda Parkes, Luis Paz-Ares*
*Equal contribution: A.D., H.-D.H., and L.P.-A. contributed equally to this work.

Journal of Clinical Oncology, 2024, doi.org/10.1200/JCO.24.00553

Text: Kirstin Linkamp / UKW
 

Die Grafik zeigt die Wirkungsweise des bispezifischen T-Zell-Engager (BiTE®) Tarlatamab.
Als bispezifischer Antikörper verbindet Tarlatamab die T-Zellen als Abwehrzellen mit der Tumorzelle als Ziel. Tarlatamab richtet sich gegen das tumorassoziierte Antigen (TAA), wie zum Beispiel das Protein Delta-like Ligand 3 (DLL3), das auf SCLC-Zellen überexprimiert wird und bindet gleichzeitig an das CD3-Protein auf der Oberfläche der T-Zellen, das für die Aktivierung und Signalübertragung der T-Zellen notwendig ist. © M.-E. Goebeler & A. Wenzl / UKW
Porträtbild von Horst-Dieter Hummel im weißen Kittel
Dr. Horst-Dieter Hummel, Clinician Scientist in der Early Clinical Trial Unit (ECTU) am Interdisziplinären Studienzentrum (ISZ) des CCC Mainfranken, hat gemeinsam mit Afshin Dowlati die Erstautorenschaft zum DeLLphi-300 Trial Update. © Daniel Peter / UKW

Wie ein fehlgeleitetes Immunsystem Gelenkentzündungen nach einem Zeckenstich aufrechterhält

Neue Studie entschlüsselt zentrale Mechanismen hinter antibiotikaresistenter Lyme-Arthritis (ARLA)

Ein Team aus der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) zeigt, wie bestimmte Zellen unseres Immunsystems zuerst die durch einen Zeckenstich ausgelöste Borrelien-Infektion bekämpfen und dann bei manchen Menschen eine Fehlreaktion auslösen, die zu einer chronischen Gelenkentzündung führt. Dieses Wissen hilft nicht nur bei der Diagnose und Behandlung von ARLA, sondern liefert auch Hinweise darauf, wie Infektionen und das Immunsystem bei anderen Krankheiten wie der rheumatoiden Arthritis zusammenwirken.

 

Collage der beiden Porträts von Johannes Dirks und Henner Morbach
Dr. Johannes Dirks (links) und PD Dr. Henner Morbach von der Pädiatrischen Entzündungsmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW) bieten mit ihrer neuen Studie einen Fahrplan, der erklärt, wie T-Zell-Reaktionen, die zur Kontrolle einer Infektion notwendig sind, trotz Antibiotikatherapie eine nachteilige T-Zell-Reaktion auslösen können, was zu einer postinfektiösen, entzündlichen Arthritis führt. © Collage / UKW
Immunfluoreszenzanalyse und Sequenzierungen des T-Zell Rezeptors
Collage mit Abbildungen aus der Originalpublikation zum krankheitsspezifischen T-Zell Rezeptor Motiv: Die Immunfluoreszenzanalyse (MACSimaTM Imaging Platform) der Synovia eines Patienten mit Antibiotika-refraktärer Lyme-Arthritis zeigt Aggregate von B- und aktivierten T-Helfer Zellen (links). Durch Einzelzell-RNA Sequenzierung und Hochdurchsatzsequenzierung des T-Zell Rezeptors der synovialen T-Helfer Zellen konnte ein krankheitsspezifisches T-Zell Rezeptor Motiv identifiziert und mit der Funktion dieser Zellen in Zusammenhang gebracht werden. ©J Clin Invest DOI: 10.1172/JCI179391
Collage mit Fotos von der Wanderröte nach Zeckenstich und geschwollenem Knie, Röntgenbild von Gelenkentzündung und mikroskopischer Aufnahme.
Wie es nach einer Borrelien-Infektion, die durch einen Zeckenstich ausgelöst wird, zu einer chronischen Gelenkentzündung kommt, der sogenannten Antibiotika-refraktären Lyme-Arthritis, kurz ARLA. © Collage / UKW

Würzburg. Die Wanderröte nach einem Zeckenstich ist ein erster Hinweis auf Lyme-Borreliose. Sie ist die häufigste von Zecken übertragene Krankheit in Europa und Nordamerika. Wird sie nicht rechtzeitig mit einem Antibiotikum behandelt, können sich die Borrelia burgdorferi-Bakterien im Körper ausbreiten und langfristige Beschwerden wie Gelenkentzündungen verursachen. In den meisten Fällen kann die sogenannte Lyme-Arthritis mit Antibiotika behandelt werden, aber bei einem kleinen Prozentsatz bessert sich der Zustand trotz Beseitigung der Bakterien nicht. Diese Form der Arthritis wird als antibiotikaresistente Lyme-Arthritis (ALRA) bezeichnet und erfordert häufig eine spezielle Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs), die das Immunsystem regulieren. 

Obwohl bekannt ist, dass Immunzellen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung dieser chronischen Entzündung spielen, waren die genauen molekularen Mechanismen der antibiotikaresistenten Verlaufsformen der Lyme-Arthritis bislang unklar. Dr. Johannes Dirks und PD Dr. Henner Morbach von der Pädiatrischen Entzündungsmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW) haben nun gemeinsam mit einem interdisziplinären Team zentrale Fehlreaktionen des Immunsystems entschlüsselt. Ihre im renommierten Journal of Clinical Investigation veröffentlichte Studie beleuchtet die Rolle des Immunsystems bei der Entstehung chronischer Gelenkentzündungen und liefert wichtige Hinweise für eine genauere Diagnose und effektivere Therapie dieser belastenden Erkrankung. Die Bedeutung der Arbeit wurde gerade durch einen begleitenden Kommentar des Entdeckers der Lyme-Arthritis, Dr. Allen Steere von der Harvard Medical School in Boston, unterstrichen.

Genetische Veranlagung für fehlgeleitete Immunantwort 

Allen Steere beschrieb die Lyme-Arthritis erstmals 1976, nachdem in der Gegend von Lyme, Connecticut, mehrere Fälle bei Kindern aufgetreten waren, die zunächst fälschlicherweise als rheumatische Erkrankungen diagnostiziert worden waren. Nach der Entdeckung von Borrelia burgdorferi im Jahr 1982 konnte die Mehrzahl der Betroffenen erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden. Das Nichtansprechen auf die Therapie wurde auf eine genetische Prädisposition für eine fehlgeleitete Immunantwort zurückgeführt. Die Patientinnen und Patienten trugen vermehrt bestimmte HLA-Moleküle (HLA = Human Leukocyte Antigene), die dem Immunsystem ein Borrelien-Antigen so präsentierten, dass sich die Immunreaktion gegen den eigenen Körper richtete, statt die Infektion zu bekämpfen. 

TCR-β-Motiv unterscheidet ARLA von anderen rheumatischen Erkrankungen

Johannes Dirks und das Würzburger Team haben in den Gelenken von ARLA-Patientinnen und -Patienten aus Deutschland eine besondere Art der Immunantwort entdeckt, die durch T-Zell-Rezeptoren (TCR) gesteuert wird. T-Zell-Rezeptoren sind Proteine auf der Oberfläche von T-Zellen, einer Art weißer Blutkörperchen, die eine zentrale Rolle im Immunsystem spielen. Durch bioinformatische Analysen identifizierten die Forschenden ein charakteristisches Muster in den TCR, das ARLA-Patienten von anderen rheumatischen Erkrankungen unterscheidet, das sogenannte TCR-β-Motiv. Die Struktur in der β-Kette des TCR wird von T-Zellen genutzt, um fremde oder veränderte körpereigene Moleküle zu erkennen. 

Unterschiede zwischen Immunantworten in Europa und Nordamerika

Interessanterweise korrelieren die TCR-β-Motive bei den ARLA-Patienten in Deutschland mit spezifischen genetischen Markern, HLA-DRB1*11 oder HLA-DRB1*13. Diese so genannten Allelen unterscheiden sich jedoch von den Varianten nordamerikanischer Patientinnen und Patienten. 
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Immunantwort bei ARLA-Patienten in Europa deutlich von der in Nordamerika unterscheidet, was vermutlich auf die unterschiedlichen Borrelien-Spezies zurückzuführen ist. Die bisherigen Forschungsergebnisse, die vor allem in Nordamerika gewonnen wurden, lassen sich daher nicht direkt auf die europäische Situation übertragen“, erklärt Henner Morbach, Leiter der Studie und Letztautor. 

Spezifische T-Zell-Rezeptoren halten pathogene T-Helferzell-Reaktionen aufrecht

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist die Entdeckung, dass die TCR-gesteuerte Immunantwort zu einer starken Vermehrung von T-peripheren Helferzellen (Tph-Zellen) führt. Tph-Zellen senden entzündungsfördernde Signale aus und scheinen die chronische Entzündung in den Gelenken aufrechtzuerhalten. 

Die Forschung in Deutschland geht weiter: „Durch die Identifizierung der spezifischen T-Zell-Rezeptormotive konnten wir erstmals das Genexpressionsmuster krankheitsspezifischer T-Zellen in den betroffenen Gelenken verfolgen. Diese Erkenntnisse sollen in weiteren Studien vertieft werden, um herauszufinden, gegen welche Strukturen sich die Immunantwort richtet - ob es sich um eine Autoimmunreaktion handelt oder um Bestandteile nicht mehr lebensfähiger Borrelien, die die Entzündung aufrechterhalten“, sagt Johannes Dirks.

Auswirkungen auf Diagnose und Behandlung 

Das Studienteam, Allen Steere und die Fachwelt sind sich einig: Die Studienergebnisse werden weitreichende Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung von ARLA haben. Denn durch die Entdeckung spezifischer Immunmarker könnte es Ärztinnen und Ärzten künftig möglich sein, die Erkrankung früher zu diagnostizieren und von anderen chronischen Gelenkentzündungen zu unterscheiden. Auch die Erkenntnisse über die Rolle der Tph-Zellen und des TCR-β-Motivs bieten neue Ansätze für therapeutische Interventionen. Zukünftige Behandlungen könnten diese spezifischen Immunwege gezielt modulieren, um Entzündungen zu verringern und das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, das überschießende Immunsystem frühzeitig ins Visier der Therapie zu nehmen, statt immer wieder auf Antibiotika zu setzen“, betont Henner Morbach.

Auch über die Lyme-Arthritis hinaus könnte die Forschung wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie Infektionen chronische Entzündungen und Autoimmunreaktionen auslösen. Daraus könnten neue Strategien zur Vorbeugung und Behandlung anderer Autoimmunerkrankungen entwickelt werden.

Forschungsförderung

Die Untersuchungen wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert (Morbach 2160/4-1). Henner Morbach wird durch das Advanced Clinician Scientist Programm INTERACT des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (BMBF, 01EO2108), das in das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) des Universitätsklinikums Würzburg integriert ist. Johannes Dirks wird durch das Clinical Leave Program des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) gefördert.


Publikation

Disease-specific T cell receptors maintain pathogenic T helper cell responses in postinfectious Lyme arthritis. Johannes Dirks, Jonas Fischer, Julia Klaussner, Christine Hofmann, Annette Holl-Wieden, Viktoria Buck, Christian Klemann, Hermann J. Girschick, Ignazio Caruana, Florian Erhard, Henner Morbach. J Clin Invest. 2024;134(17):e179391. doi.org/10.1172/JCI179391.


 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Collage der beiden Porträts von Johannes Dirks und Henner Morbach
Dr. Johannes Dirks (links) und PD Dr. Henner Morbach von der Pädiatrischen Entzündungsmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW) bieten mit ihrer neuen Studie einen Fahrplan, der erklärt, wie T-Zell-Reaktionen, die zur Kontrolle einer Infektion notwendig sind, trotz Antibiotikatherapie eine nachteilige T-Zell-Reaktion auslösen können, was zu einer postinfektiösen, entzündlichen Arthritis führt. © Collage / UKW
Immunfluoreszenzanalyse und Sequenzierungen des T-Zell Rezeptors
Collage mit Abbildungen aus der Originalpublikation zum krankheitsspezifischen T-Zell Rezeptor Motiv: Die Immunfluoreszenzanalyse (MACSimaTM Imaging Platform) der Synovia eines Patienten mit Antibiotika-refraktärer Lyme-Arthritis zeigt Aggregate von B- und aktivierten T-Helfer Zellen (links). Durch Einzelzell-RNA Sequenzierung und Hochdurchsatzsequenzierung des T-Zell Rezeptors der synovialen T-Helfer Zellen konnte ein krankheitsspezifisches T-Zell Rezeptor Motiv identifiziert und mit der Funktion dieser Zellen in Zusammenhang gebracht werden. ©J Clin Invest DOI: 10.1172/JCI179391
Collage mit Fotos von der Wanderröte nach Zeckenstich und geschwollenem Knie, Röntgenbild von Gelenkentzündung und mikroskopischer Aufnahme.
Wie es nach einer Borrelien-Infektion, die durch einen Zeckenstich ausgelöst wird, zu einer chronischen Gelenkentzündung kommt, der sogenannten Antibiotika-refraktären Lyme-Arthritis, kurz ARLA. © Collage / UKW

ERC Starting Grant: 1,6 Millionen Euro für Jakob Zimmermann

Verstärkung für die Würzburger Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie: Der ERC-Starting-Grant-Preisträger Dr. Jakob Zimmermann startet hier mit seinem Team.

Dr. Jakob Zimmermann erforscht mit einem ERC Starting Grant in Würzburg das Zusammenspiel zwischen Darmflora und Immunsystem.
Dr. Jakob Zimmermann erforscht mit einem ERC Starting Grant in Würzburg das Zusammenspiel zwischen Darmflora und Immunsystem. (Foto: privat)

Der Immunsystemforscher Dr. Jakob Zimmermann erhielt für sein Forschungsprojekt eine hochdotierte Förderung des Europäischen Forschungsrats (ERC). Seit September 2024 verstärkt der Wissenschaftler das Institut für Systemimmunologie an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg mit einem eigenen Team. Dabei arbeitet er eng mit der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie zusammen.

Mit einem Gesamtvolumen von 1,6 Millionen Euro fördert der ERC ein mehrjähriges wissenschaftliches Projekt über das Zusammenspiel zwischen Darmflora und Immunsystem. Jakob Zimmermann, der die Förderung erfolgreich eingeworben hat, möchte das T-Zell-Immungedächtnis im Darm besser verstehen. Dieses Verständnis ist entscheidend für neue Therapieansätze gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und für das verbesserte Design von Impfstoffen.

„Mit dem ERC Starting Grant wollen wir aufklären, wie Gedächtnis-T-Helfer-Zellen durch die Darmflora reguliert werden. Dazu nutzen wir innovative mikrobiologische und immunologische Werkzeuge. Ich freue mich sehr darüber, dass ich den Grant erhalten habe und damit meine eigenen Forschungsideen vorantreiben kann“, so Jakob Zimmermann.

Immunzellen im Darm verstehen, um neue Therapieansätze zu entwickeln

Helfer-T-Zellen sind wichtige Immunzellen, die eng mit den Mikroorganismen im Darm (Darmmikrobiota) verbunden sind. Sie schützen unser Verdauungssystem vor Erregern von außen. Gerät ihre Regulierung aus dem Gleichgewicht, können diese Zellen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen verursachen.

„Bislang ist unklar, ob das menschliche Immunsystem ein T-Zell-Gedächtnis gegen die Darmmikrobiota aufbaut – ähnlich wie es von Impfungen oder Infekten bekannt ist. Wir sind überzeugt, dass ein besseres Verständnis des Mikrobiota-spezifischen T-Zell-Gedächtnisses entscheidend sein könnte, um bessere Schleimhaut-Impfstoffe zu entwickeln und plötzliche Krankheitsrückfälle bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu verhindern“, fasst der Wissenschaftler den Forschungsansatz zusammen.

Über Jakob Zimmermann

Jakob Zimmermann studierte Molekulare Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seinen PhD erwarb er im Labor der Professoren Andreas Radbruch und Hyun-Dong Chang am Deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin, wo er sich mit T-Zellen in chronischen Entzündungen beschäftigte. Als Postdoktorand entwickelte er neue Methoden der Mikrobiota- und Immunsystemanalyse im Labor für mukosale Immunologie von Professor Andrew Macpherson an der Universität Bern in der Schweiz.

Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie

Die Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie ist eine gemeinsame Initiative der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) mit dem Ziel, exzellente immunologische Forschung zu fördern. Die rund 50 internationalen Forschenden aus 24 Ländern wollen die Grundlagen für eine erfolgreiche Immunantwort gegen Infektionserreger, chronisch entzündliche Erkrankungen und Tumore verstehen, um neue Konzepte und Strategien für Impfstoffe und Immuntherapien zu entwickeln.

Dabei untersuchen sie die Entwicklung und Funktion des Immunsystems ganzheitlich auf mehreren Ebenen: von hochauflösenden Analysen einzelner Moleküle und Zellen über komplexe zelluläre Netzwerke innerhalb von Organen bis hin zu den systemischen Wechselwirkungen im Körper und mit der Umwelt. Diese Forschungsziele fügen sich hervorragend in das Umfeld der international sichtbaren Forschung zu Infektionskrankheiten und Immuntherapien auf dem Würzburger Life-Science-Campus ein.

Weitere Informationen: https://www.med.uni-wuerzburg.de/systemimmunologie/ 

Kontakt

Dr. Jakob Zimmermann, jakob.zimmermann@ uni-wuerzburg.de  

 

Pressemitteilung der Universität Würzburg vom 11. September 2024

Dr. Jakob Zimmermann erforscht mit einem ERC Starting Grant in Würzburg das Zusammenspiel zwischen Darmflora und Immunsystem.
Dr. Jakob Zimmermann erforscht mit einem ERC Starting Grant in Würzburg das Zusammenspiel zwischen Darmflora und Immunsystem. (Foto: privat)

1,5 Millionen Euro: ERC Starting Grant für Dimitrios Papadopoulos

An der Uni Würzburg forscht Dimitrios Papadopoulos zu RNA-basierten Mechanismen von aggressiven Kindertumoren. Jetzt erhält er eine der europaweit begehrtesten Förderungen für wissenschaftlichen Nachwuchs.

Er darf sich über einen ERC Starting Grant freuen: Der Krebsforscher Dimitrios Papadopoulos.
Er darf sich über einen ERC Starting Grant freuen: Der Krebsforscher Dimitrios Papadopoulos. (Papadopoulos/JMU)

Das MYCN Protein: Es ist etwa hunderttausendmal kleiner als ein menschliches Haar und steht im Zentrum der Forschungen von Dimitrios Papadopoulos, Juniorgruppenleiter am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). MYCN ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor, also ein Protein, das sich am menschlichen Erbgut (DNA) anheftet und damit das Wachstum von Zellen steuert. Wenn überdurchschnittliche Mengen an MYCN in einer Zelle vorhanden sind, kann das zu Krebs führen.

„MYCN trägt wesentlich zur Entstehung aggressiver Tumore bei, unter denen vor allem Kinder leiden – wie etwa das Neuroblastom, einer der häufigsten Kleinkindtumore“, erklärt Papadopoulos. „Ziel meiner Forschungsgruppe ist es deshalb, mehr über die Funktionen von MYCN zu erfahren, um so die Grundlage für gezielte und schonende Therapien gegen Krebs zu schaffen. Bestehende Behandlungsansätze sind für Kinder häufig körperlich sehr belastend.“

Für dieses Vorhaben erhält der 36-Jährige jetzt einen der begehrten ERC Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Ziel des Starting Grants ist die Förderung exzellenter Forschender in einem frühen Stadium ihrer Karriere auf dem Weg in die wissenschaftliche Unabhängigkeit. Das Geld wird über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung gestellt.

Darum geht bei Papadopoulos‘ Krebsforschung

Gefördert wird mit dem Starting Grant ein Projekt namens „Entschlüsselung der Transkriptionstermination und RNA-Sortierung in MYCN-gesteuerten Tumoren“, kurz „TerSor“. Was sich kompliziert anhört, ist einfach erklärt: Papadopoulos Team hat herausgefunden, dass MYCN nicht nur an DNA binden kann und so das Wachstum von Krebszellen fördert, sondern auch an RNA. RNA steht für Ribonukleinsäure und ist ähnlich wie DNA ein Träger genetischer Information.

Bindet MYCN an RNA, hat es einen eher gegenteiligen Effekt. Dann kann die Hemmung der RNA-Bindung Krebszellen sogar empfindlicher gegenüber Chemotherapien machen. Hauptziel von TerSor ist es zu verstehen, wie RNA-gebundenes MYCN funktioniert. Ein grundlegendes Verständnis dieser Funktion soll in der Zukunft die Entwicklung neuer Behandlungen ermöglichen, die aggressive Tumore gezielt abtöten können.

„Der ERC Starting Grant ist eine großartige Auszeichnung und Anerkennung unserer bisherigen Arbeit und ein Ansporn für künftige Forschungen“, freut sich Dimitrios Papadopoulos. „Zudem ist die Förderung ein großer Schritt für den Aufbau meiner eigenen unabhängigen Forschungsgruppe!“ Die 1,5 Millionen Euro will der Wissenschaftler sowohl für die Einstellung von Personal nutzen, zum Beispiel von Post-Doktoranden und -Doktorandinnen, als auch für die Beschaffung von Forschungsmaterialien.

Werdegang des ERC-Preisträgers

Dimitrios Papadopoulos wurde 1988 geboren und studierte Biologie an der Universität Athen. Nach seiner Promotion an der Justus-Liebig-Universität Gießen trat er 2018 der Forschungsgruppe von Prof. Martin Eilers bei, Leiter des JMU-Lehrstuhls für Biochemie und Molekularbiologie. 2023 gründete er seine eigene Forschungsgruppe als Principal Investigator in einem neuen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Konsortium (CRC1588). Im selben Jahr erhielt er den Young Investigator Award der Deutschen Krebsgesellschaft.

Kontakt

Dr. Dimitrios Papadopoulos, Gruppenleiter am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie, Tel. +49 931 31-89352, dimitrios.papadopoulos@ uni-wuerzburg.de 

 

Pressemitteilung der Universität Würzburg vom 05.09.2024

Er darf sich über einen ERC Starting Grant freuen: Der Krebsforscher Dimitrios Papadopoulos.
Er darf sich über einen ERC Starting Grant freuen: Der Krebsforscher Dimitrios Papadopoulos. (Papadopoulos/JMU)